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"Nachdenken kann man auch im vorhinein." (Benyoetz)

 
Aus aktuellem Anlaß mal wieder in "Ich war Saddams Sohn" von Yahia und Wendl geblättert.

"Der Mensch ist des Menschen Feind."

Um Doppelgänger zu sein muß der irakische Offizier geschult werden, was mit einem netten Videoabend vorgenommen wird.
Zum Frühstück beinahe zu viel.
Übrigens empfehle ich jedem Berlinbesucher auch einen Besuch im Stasigefängnis Hohenschönhausen.
http://www.gedenkstaette-hohenschoenhausen.de/
Biermann: "Hohenschönhausen, dort, wo die Hohen schön hausen."
Das sollte einen von dem (gedankenlosen?) Satz "Der Sozialismus ist im Grunde eine gute Idee, nur...". Auch der Irak steht im übrigen in dieser Tradition, dafür haben die Sowjets schon gesorgt.

Seite 74 ff.

[diese Taschenbücher, die nicht aufgeklappt liegen bleiben, grrr]
Manche Videos werden ausführlich beschrieben, mir hier zu lang.

Video 5: Sizten auf der Gasheizung
V6: kopfüber an einem rotierenden Ventilator
V7: Abbrennen der Gesichtshaare
12: Auseinanderreißen des Mundes, bis der Kiefer bricht
17: Wassermethode
15: Einführen einer Luftpumpe in den After und...
23: Durchbohren und Herausreißen der Zähne
26: Ermordete werden in die Zellen anderer Gefangener geworfen.
30: Füße und Hände in kochendes Öl
31: Frauen werden gefesselt an den Haaren aufgehängt und Ehemänner müssen zusehen
32: Vergewaltigung
33: Kinder und Bienenstock in einem Raum, Mütter müssen zusehen

"Saddam Hussein ist stolz auf seine Folterknechte, er nennt sie 'die scharfen Schwerter der Regierung'."

15:30
Christian Geyer sieht das heute so:

Zu den Akten
Das Recht zum Krieg wird abgeheftet

Was man in der Verhaltenspsychologie eine "kognitive Dissonanz" zu nennen pflegt, bringt die kollektive Momentaufnahme dieser Tage recht gut auf den Begriff. Wir stehen vor einer merkwürdigen Doppelung der Eindrücke: auf der einen Seite der von kaum jemandem noch geleugnete Befund, daß mit der Rechtsbasis des Irak-Kriegs etwas nicht ganz in Ordnung ist; auf der anderen Seite die völlige Folgenlosigkeit ebendieses Befundes. Nicht nur, daß der Krieg selbstverständlich läuft, wie er läuft. Es ist vielmehr noch nicht einmal klar, ob dieser Krieg außer von den Millionen Menschen, die gegen ihn auf der Straße protestieren (der Protest wird sich legen), später einmal von irgendeiner befugten rechtlichen Garantieinstanz als Angriffskrieg und also als Unrecht rubriziert oder auch, im Gegenteil, ausdrücklich gerechtfertigt werden wird.

Denn was heißt im Moment schon noch "befugt"? Weit und breit ist außer dem Hegemon, der sich nicht selbst verurteilen will, keine solche Garantieinstanz in Sicht. Der Weltsicherheitsrat ist - nach einem letzten "Stühlerücken auf der untergehenden Titanic" (John Negroponte) - einstweilen in die Sitzungsferien aufgebrochen. Und werden sich die Mitglieder dieses von den Amerikanern maßgeblich mit errichteten und nun einfach zur Seite geschobenen Gremiums, wenn sie wieder zusammenkommen, nicht gleich mit der Nachkriegsordnung im Irak zu befassen haben wollen? Wird dann die Auseinandersetzung statt um die globale Sicherung des Gewaltmonopols nicht nur noch um Fragen wie jene gehen, ob außer den amerikanischen Firmen, unter denen das Fell des Irak schon verteilt sein soll, sich nicht vielleicht doch auch andere Länder am Wiederaufbau beteiligen dürfen? Tatsächlich wähnt man sich ein paar historische Momente lang - von denen niemand sagen kann, wie viele amerikanische Administrationen sie umfassen werden - in einem rechtlosen globalen Raum. Wer jetzt, da der Krieg seinen Lauf nimmt, noch nach dem "Recht" ruft, ja nur die Debatte darüber fordert, läuft Gefahr, als Nachkarter abgebürstet zu werden - so wie Hans Eichel, wenn er Budgetfragen anspricht, vom Kanzler nur noch ein "Laß mal gut sein, Hans" zu hören bekommt.

Die Verhaltenspsychologie gibt in derartigen Situationen den Rat, sie "auszuhalten". Ein Rat, der derzeit nicht vom gesamten Kollektiv befolgt wird. Man beobachtet Ungeduldige, die die Situation nach der ein oder anderen Seite auflösen wollen, Hauptsache, die Dissonanz im Kopf geht weg. Die gebräuchlichste Art, in diesen Tagen die Rechtsfrage in Klammern zu setzen, ist die immer richtige Einsicht in die Entwicklungsbedürftigkeit jedes Völkerrechts. Es gibt verschiedene Auslegungen, also wer bin ich, mich für eine entscheiden zu sollen? Bei kaum einem scheint die Bereitschaft, auf eine eigene Meinung zum Krieg zu verzichten - wg. weltpolitischer Irrelevanz - und dies rhetorisch wie ein neues Menschenrecht vor sich herzutragen, so verinnerlicht wie bei Wolfgang Gerhardt. "Machen Sie keinen Fehler!" rief ihm ein besorgter Schlingensief zu, als Gerhardt bei Friedman für einen Moment so tat, als wolle er eine Position formulieren. Anders etwa Hans-Ulrich Klose, der die Offenheit für eine Weiterentwicklung des Völkerrechts mit Inhalten füllen möchte. Klose weist auf das im Balkan-Konflikt entwickelte Kriterium der humanitären Katastrophe hin. Dabei erwähnt er freilich nicht, daß auch die Anwendung dieses Kriteriums nur vertretbar ist, wenn sie einen akuten Angriff auf Menschen zu stoppen sucht. Im Falle Saddams wird dies zumindest für die Gegenwart von niemandem behauptet. Und auch Kloses Hinweis auf die unsichtbaren Akteure des nichtstaatlichen Terrorismus bleibt als Antwort auf die Rechtsfrage die Beschwörung eines Phantasmas. Soll man - von internationalem Recht gedeckt - präventiv alle Höhlen dieser Welt ausräuchern dürfen, weil in jeder von ihnen nicht nur Usama Bin Ladin, sondern neuerdings auch Saddam Hussein stecken könnte?

"Warum nicht?" fragen humanistisch gebildete Leitartikler, die mit Blick auf den zivilisationssatten Geschichtsherbst unter römischer Führung vom "Glück des Vasallentums" sprechen. Vasallentum sei ein häßliches Wort, hieß es neulich in der "Zeit", aber wer seien wir, ein Mitmachen im großamerikanischen Reich auszuschlagen, wenn doch ansonsten sowieso nur die Chinesen kommen? Ein anderer Fluchtweg aus der völkerrechtlichen Argumentation heißt Personifikation. So scheut sich ein juristisch geschulter Kopf wie Wolfgang Schäuble nicht, das Vorgehen der Amerikaner so zu rechtfertigen: Ihm sei es immer noch lieber, daß ein Staatsmann wie Bush gewinne, als ein Verbrecher wie Hussein.

Gegen solch spielerischen Rechtseskapismus wenden sich - psychologisch nicht minder interessant - Spielverderber wie Reinhard Merkel. Der Hamburger Rechtsphilosoph weigert sich, Herfried Münklers Exkulpationsformel einer "Handlungslogik von Imperien" als rational anzusehen. Das Räsonnement mancher Völkerrechtler über die gegenwärtige "Emergenz" einer neuen Norm, die den Präventiv-, also den Angriffskrieg erlaubt, ist für Merkel lediglich das Zeugnis einer rechtstheoretischen Blindheit: "Jeder Aggressionskrieg ist ein Anschlag auf das Fundament jeder denkbaren internationalen Ordnung, die eine des Rechts sein soll. Führt ihn ein Staat aus jener alles überragenden Vormacht- und Garantenstellung, die Amerika heute innehat, so bedroht er die Grundnorm der Welt." Die Botschaft an die Diktatoren dieser Erde, die vom Irak-Krieg ausgeht, würde - denkt man Merkel zu Ende - lauten: Beschafft euch lieber heute als morgen Atomwaffen, wenn ihr im Sattel bleiben wollt.

CHRISTIAN GEYER

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.03.2003, Nr. 71 / Seite 33
 

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